20. Ausgabe - Dezember 12 JdF

Begehren - Moira

Editorial

Liebe LeserInnen,

indem wir begehren, tut sich bereits etwas. Begehren ist stärker als Bitten. Es ist umfassend und wächst aus den Tiefen unserer Herzen, dort, wo unsere Visionen wohnen. Indem wir begehren, dringt etwas aus diesen Tiefen ins Bewusstsein – in unseres und das der anderen. Unser Begehren als matriarchatsbewegte Menschen ist die Wiederbesinnung auf eine mütterliche Ordnung in uns selbst, in unserem Miteinander, in unser aller Welt. Unser Begehren ist es, sichtbar zu machen, dass es zahllose Menschen und Volksgruppen gibt, die auffallend friedlich und gewaltfrei sind, welche die (Um-)Welt als lebendig wahrnehmen und bei denen es allen wohl ergeht. Mehr und mehr dringt auch der Öffentlichkeit ins Bewusstsein, dass diese Friedfertigkeit und Harmonie mit einer anderen Art sozialen Gefüges zusammenhängt, nämlich dem, was viele WissenschaftlerInnen mit mutterrechtlich oder matriarchal bezeichnen. Es  geht um Vorstellungen. Mit Vorstellungen prägen wir Menschen seit geraumer Zeit das Leben auf MUTTER ERDE, und mut-terrechtliche Gesellschaften haben eben andere Vorstellungen von einem „guten Leben“ als vaterrechtliche. Das Begehren ist für KaraMa Beran gerade die Gestaltungskraft für eigene Vorstellungen, die seelischen und leiblichen Bedürfnissen nach einem guten Leben entspringen. Mit Hilfe des Begehrens beginnen wir also das, von dem Heide Göttner-Abendroth sagt: Matriarchate sind reale Orte und matriarchale Elemente sind heute längst wieder im Entstehen begriffen. Begehren bedeutet in diesem Sinne auch, den Mut und die Kraft zu finden, Visionen real zu gestalten. Dafür lassen wir im Matriculum Antje Schrupp und damit die Mailänder Philosophinnen der Gruppe Diotima zu Wort kommen: Nicht aus einer Position der Macht heraus haben wir Frauen die großen gesellschaftlichen Veränderungen bewirkt, welche wir heute als Ende des Patriarchats feiern können, sondern aus unserem innigen Begehren heraus, die Dinge zum Besseren zu verändern. Wie gesagt: Bereits indem wir begehren, beginnt schon etwas. Im Frühling dieses Jahres war Uscha Madeisky (u.a.) bereits das zweite Mal bei der UNESCO eingeladen. Nun bot ihr auch der 10. Frauenpolitische Ratschlag die Möglichkeit, die Matriarchatsbewegung vorzustellen. Mit ihrem Vortrag vermittelte sie den rund 1000 TeilnehmerInnen unser Begehren, sich gemeinschaftlich für eine bessere Welt einzusetzen und den Aufbau einer neuen fürsorglichen Gesellschaft voranzutreiben. Dass es schon etwas Besonderes war, mit welchem Interesse ihr Vortrag in diesem Rahmen aufgenommen wurde, darüber berichtet uns Gunnel C. Hinrichsen. Sogar eine Dokumentation des Kongresses ist bereits erschienen.
Voll des Begehrens sind Daniela Parr, Nina Werth und ich von unserer Reise zu den Mosuo, Südchina, zurückgekehrt: Das Andere ist nicht so fern, wie wir oft meinen. Es liegt ganz nah und manchmal heißt es einfach, anzufangen. Das jedenfalls möchte ich in meinem „Herzensbericht“ mit Euch teilen, wonach Mariam Tazi-Preve uns gleich anschließend noch einmal die Unterschiede zwischen einem Mutterland und einem Vaterland deutlich macht.
Ich möchte Euch dieses Bild mit auf den Weg geben:“, rief Uscha Madeisky den Frauen auf dem o.a. Kongress in Ludwigsburg zu, „Das Vulvadreieck von MatriaVal! Unsere Vulva-Dreiecke flitzen nach links. Das ist, weil wir das Patriarchat rechts liegen lassen.“ Wie das geschieht, davon zeugen auch all die anderen Beiträge dieser Ausgabe. Begehren bedeutet eben auch, sich an einem solchen Journal wie diesem von ganzem Herzen zu beteiligen und sich mit den Moiren, Parzen, Nornen, also kosmischen Spinnerinnen und Weberinnen –  zu verbinden. In diesem Sinne danken wir Euch und uns allen, LeserInnen, SchreiberInnen, MalerInnen etc.: Seid gegrüßt und begehrt und spinnt und webt so viel Ihr mögt zwischen den Zeiten.

Dagmar Margotsdotter-Fricke


Inhaltsverzeichnis

6 Wohin unser Begehren richten KaraMa Beran

12 Matriarchale Politik und die Vision einer neuen Gesellschaft
Heide Göttner-Abendroth

20 Matriculum VIII, Weibliches Begehren und die Stärke der Frauen
Antje Schrupp

29 Weltfrauen verbinden – Visionen wagen
Bericht vom 10. Frauenpolitischen Ratschlag in Ludwigsburg
Gunnel Hinrichsen

31 Die Matriarchatsbewegung – Weltfrauen verbinden – Visionen wagen
Uscha Madeisky

35 Was mich stark macht – mein Gode-Sein Hanna Bittner

36 Ein Traum wird Wirklichkeit –
Das Haus der Frauengeschichte hat Eröffnung gefeiert
Gründerinnenbericht aus Bonn

39 Wie frau sich bettet, so l(i)ebt sie –
Ein Besuch bei den Mosuo im Dorf Shekua am Lugu-See, China
Dagmar Margotsdotter-Fricke

44 Matri-Forum: PAPAs Gender-Ideologie Kerstin Pilop

45 Väterrechtler, Antifeminismus und Systemkritik - Matriarchale Vaterschaft
Mariam Irene Tazi-Preve

49 Planetare Bewegung für Mutter Erde (PBME), 6. Infobrief
Claudia von Werlhof

50 Aufbegehren - Devi gegen Goliath Eva Rodriguez Navia

51 Aufbegehren – Kueka und der heilige Zorn Kerstin Pilop

54 Jahresrad: Rauhnächte zwischen den Zeiten
„Tanz der Schicksalsspinnerinnen“
Ziriah Voigt

58 Die Kräuterfee
Friederike Bleul-Neubert : Der Wunschbaum
Anne-Kathrin Beran: Die Ilex

60 GODEWEG - Wutachtal, Tiengen Sabine Amann

64 Spurensuche nach den matriarchalen Ursprüngen des I Ging (Teil 2)
Angelika Horenburg

68 Buchbesprechungen
70 G.l.a.n.z.s.t.ü.c.k.e
74 Resonanzen

77 In eigener Sache
78 Matri-Netz
80 Impressum